In gemütlicher Runde mit der Landtagspräsidentin Hanna Naber zu Gast an der BBS Haarentor in Oldenburg

Oldenburg

- Wie wird man Landtagspräsidentin? Wie gestaltet sich der Alltag im Landtag? Und wie ist es eigentlich als Frau eine so starke Rolle in der Politik zu spielen? 

Diese und viele weitere Fragen beantwortete die niedersächsische Landtagspräsidentin der SPD-Fraktion Hanna Naber am 24. August in der Europaschule BBS Haarentor in Oldenburg: Die beiden EU-Juniorbotschafter der Schule, Keno Schwarz und Sophie Hinderks, luden nämlich gemeinsam mit den Lehrkräften und EU-Seniorbotschafterinnen Bianca Klimaschewski und Grietje Bruns zu einem exklusiven Interview ein.

In gemütlicher Runde berichtete Hanna Naber dabei nicht nur von aktuellen Vorhaben, sondern vor allem von ihrem Werdegang: „Wäre eine Kassette eingelegt, dann wäre diese gleich voll.“, erwähnte die Landtagspräsidentin lachend zu Beginn des Interviews. Von Nabers Anfängen in der Politik bis hin zu ihrer heutigen Position sei es immerhin ein langer Weg gewesen.

Jugendliche Gedanken führten in die Politik

Bereits mit 16 trat die heute 52-jährige in die SPD ein. Ihr politisches Interesse wurde jedoch schon viel früher geweckt, so Naber: „Es kam eine Phase, in der ich politischer wurde und mir gewisse Fragen gestellt habe: Warum gewisse Dinge in der Welt so sind, wie sie sind und was sich eben 12 – 14-Jährige so an Fragen stellen.“ Vor ihrem 16. Lebensjahr fand Hanna Naber sich so bei der Jugendorganisation der SPD ein. An Nabers Schule habe es eine Juso-AG gegeben, darüber hinaus habe sie an vielen Aktionen der Organisation teilgenommen – beispielsweise an einer Demonstration gegen Verpackungsmüll. Nach ihrem Eintritt in die SPD war Hanna Naber auch weiterhin aktives Mitglied der Jusos und schnell auf Bezirksebene, wenig später dann sogar im Landesvorstand. Für Hanna Nabers Eintritt in die SPD habe es neben ethischen Werten auch persönliche Beweggründe gegeben: „Der inhaltliche Grund für meinen Eintritt in die SPD war außerdem meine Herkunft als Arbeiterkind.“, erklärte Naber. „Ich hatte eine tolle Kindheit und Jugend, habe aber auch festgestellt, dass es eben Unterschiede darin gibt, wie man zum Beispiel Bildung erfahren und daran teilhaben kann.“ Was in ihrer Heimat „auf dem platten Land“ in Grafschaft Bentheim seinen Anfang fand, setzte sich dann ab dem Jahr 1990 in Oldenburg fort: Dort begann Hanna Naber ihr Studium an der Carl von Ossietzky Universität. Neben Studium und reger Teilnahme im allgemeinen Studierendenausschuss war die Politik weiterhin großer Bestandteil ihres Lebens.

Zwar habe es auch mal eine Zeit gegeben, in der Hanna Naber mit der SPD fremdelte, doch dies war nie ein Grund für die heutige Landtagspräsidentin auszutreten. „Die Grundwerte der SPD waren immer meine und werden es immer bleiben.“, untermalte Naber.

Von der Geschäftsführerin zur Politikerin im Hauptamt 

Bis zur Landtagskandidatur im Jahre 2017 engagierte sie sich viel überregional, zusätzlich auch auf kommunaler Ebene als beratendes Mitglied der Stadtratsfraktion in Oldenburg. Die politische Arbeit fand in diesen Jahren stets neben ihrer Arbeit als Geschäftsführerin der AWO Weser-Ems im ehrenamtlichen Rahmen statt. 2016 habe es schließlich einen entscheidenen Punkt in ihrem Leben gegeben, so Naber: „Ich war damals 45 Jahre alt und für mich stand fest: Wenn ich nochmal hauptamtlich in die Politik gehen möchte, dann muss ich das jetzt machen, sonst ist es irgendwann zu spät.“ Gesagt, getan: Anfang 2017 trat Hanna Naber zur Landtagswahl als Kandidatin im Wahlkreis 63, Oldenburg Nordwest, an – mit Erfolg.

Mit rund 43 Prozent der Stimmen gewann sie das Amt für sich und ist seitdem im niedersächsischen Landtag. Einmal in den Landtag einzuziehen, war jedoch nie ein festes Ziel für die SPD-Abgeordnete: „Ich habe mein Engagement nie darauf ausgerichtet, irgendwann in den Bundestag, Landtag oder das Europaparlament zu gehen.“, betont Hanna Naber. Die Gelegenheit habe sich einfach angeboten, ohne in eine Kampfkandidatur gegen Mitstreiter gehen zu müssen. Zwar war der Eintritt in den Landtag Neuland für Naber und es habe einige Zeit gebraucht, bis sie sich alle Regeln und Verfahren eingeprägt hatte, jedoch ergab sich aus der langjährigen Arbeit als Geschäftsführerin der AWO auch ein gewisser Vorteil beim Einzug. Durch die aktive Mitarbeit in der Landesarbeitsgemeinschafft der freien Wohlfahrtspflege hatte Hanna Naber bereits viele Berührungspunkte mit dem Landtag.

Nach drei erfolgreichen Jahren im Landtag erreichte Naber dann einige Jahre später einen weiteren Meilenstein in ihrem Leben: 2020 wurde sie nämlich Generalsekretärin der SPD in Niedersachsen. Durch Nabers erfolgreiche Arbeit als Schatzmeisterin, welche sie zuvor über ca. 4 Jahre ausübte, beschloss Stefan Weil mit ihr in den Wahlkampf zu ziehen: „Offensichtlich habe ich dabei so wenig kaputt gemacht, dass Stefan Weil Vertrauen in mich hatte.“, erklärte Hanna Naber. Dies glückte: Hanna Naber entschied die Wahl für sich und übernahm das Amt. Ihr Erfolg machte jedoch auch hier noch keinen Halt: Bereits zwei Jahre später – 2022 - wurde sie einstimmig zur Landtagspräsidentin der SPD-Fraktion in Niedersachsen gewählt. Wie es dazu gekommen ist, hielt Hanna Naber ihren Zuhörern beim Interview natürlich ebenfalls nicht bevor: „Direkt nach der Wahl ging es los mit den Koalitionsverhandlungen, die ich natürlich als Generalsekretärin mitgeführt habe. Dabei gab es eine zentrale Gruppe, wo jede Partei vertreten war und ich war dabei.“, führte Naber aus. Innerhalb der Verhandlungen wurde ebenso besprochen, wer für welches Amt in Frage käme – so kam also eins zum anderen, erzählte die Landtagspräsidentin: „Als Generalsekretärin ist man, wenn man dann auch erfolgreich den Wahlkampf bestritten hat, in einer Position, in der man gerne für irgendwelche Ämter gehandelt wird.“ Als es zur Frage kam, wer von der SPD den Titel des Präsidenten im Landtag an sich nehmen sollte, sei von vornherein klar gewesen: Es müsse eine Frau sein. Dies rührte daher, dass die SPD nicht zurückfallen wollte – schließlich war Nabers Vorgängerin Gabi Andretta nach 70 Jahren die erste Frau in dieser Position.

Vorgeschlagen wurde somit Hanna Naber – und sie setzte sich durch: „In meinem Fall war es dann so, dass sogar die komplette Opposition für mich stimmte – ein einstimmiger Beschluss im Landtag.“, untermalte Naber. Der Moment des Sieges ist für die Landtagspräsidentin immer noch ein unvergesslicher: „Große Freude – alles war so ein bisschen surreal.“

Selbst ist die Frau

Seit der gewonnenen Wahl zur Landtagspräsidentin hat sich einiges für Hanna Naber verändert. Da sie neben ihrem Amt im Landtag nach wie vor als Wahlkreisabgeordnete fungiert, spielt sich ihr Leben mittlerweile nicht mehr nur in Oldenburg, sondern ebenso in Hannover statt – so lasse sich ihre Arbeit besser organisieren. Nabers Aufgaben als Präsidentin des Landtags umfassen vor allem zwei große Säulen: Zum Einen die Repräsentation des Landtags, zum anderen ihre Funktion als Chefin der Landtagsverwaltung innerhalb ihres Amtes. Dabei ist Hanna Naber unter anderem Ansprechpartnerin für all diejenigen, die Ausschüsse begleiten und inhaltlich vorbereiten. Genau dieser Teil ihrer Präsidentschaft gerät häufig in Vergessenheit bei der Öffentlichkeit, obwohl er von so großer Wichtigkeit ist – gerade für alle Mitarbeiter im Landrat, um ihre Arbeit weiterführen zu können. Schließlich benötigen diese Unterschriften und Freigaben und holen zudem bei wichtigen Fragen oftmals die Meinung der Landtagspräsidentin ein. Die meisten Tage der Woche findet sich Hanna Naber somit in Hannover ein.

​Den Wahlkreis in Oldenburg vernachlässige sie aber natürlich trotzdem nicht, denn auch hier verlassen sich Bürger und Mitarbeiter auf ihre Kompetenz. Im Allgemeinen beschreibt Naber ihr Aufgabenfeld als breites Spektrum: So kümmert sie sich beispielsweise um die Begrüßung neuer Botschafter oder äußert sich zu gewissen Themen, wie Wahlrechtsfragen – eine Mischung aus repräsentativen und politisch administrativen Aufgaben. Mittlerweile habe sich Hanna Naber gut in ihr Amt eingefunden und bringt den niedersächsischen Landtag als Präsidentin erfolgreich voran. 

Dennoch habe auch sie in ihren Anfängen bei der SPD mit Selbstzweifeln zu kämpfen gehabt, so Naber: „Ich hatte immer Zweifel und habe gedacht ‚Ach, wenn der kandidiert, der kann das sowieso besser‘. Dabei denkt die 52-jährige, das dies vor allem eine „typisch weibliche“ Angewohnheit sei. „Ich habe immer noch so den Eindruck, dass Frauen für das gleiche Ansehen und die gleiche Anerkennung mehr tun müssen, als Männer.“, belichtete Hanna Naber. Gerade im Zeitalter von Memes und Co. Habe die Kritik an Frauen im politischen Umfeld deutlich zugenommen, meint die Landtagspräsidentin. Auch sie selbst habe des Öfteren mit übler Hassreden zu kämpfen gehabt. Besonders setzte ihr dies dabei gerade bei direkten Zuschriften aus der Bevölkerung zu, so Naber: „Wenn man Zuschriften bekommt, in denen es heißt ‚wir setzten sie ab‘ bekommt man eine Vorstellung, dass die mit Fakten vor meiner Haustür stehen.“ Aus diesem Grund rät Hanna Naber gerade Frauen, die im politischen Bereich an sich zweifeln, mit anderen Frauen darüber offen zu sprechen – gerne auch direkt mit ihr selbst. „Es bedarf immer Vorbildern und Mutmacherinnen.“, erklärte die Landtagspräsidentin. Genau deshalb befindet sie es auch für wichtig, dass die SPD sich erneut für eine Frau – in diesem Fall Hanna Naber persönlich – als Präsidentin des Landtags entschieden hat. Schließlich seien Männer häufiger im politischen Bereich anzutreffen als Frauen, was eben dazu führt, dass viele Ämter eher in männliche Hände gegeben werden. Um dies jedoch künftig ändern zu können, sieht Hanna Naber die Notwendigkeit, ein Wahlmodell zu entwickeln, welches mehr Frauen in der Politik abbilde, dabei aber auch den gerichtlichen Vorraussetzungen standhält. „Ich habe mich als Präsidentin auch schon immer dafür ausgesprochen, weil es schon einen Unterschied in der Repräsentativität des Parlaments macht, wie dieses zusammengesetzt ist.“, untermalte Naber. Doch nicht nur die Verteilung der Geschlechter ist in den Augen der niedersächsischen Landtagspräsidenten ein wichtiges Thema im politischen Umfeld, sondern ebenso das Alter. Dabei sieht Hanna Naber nicht nur ein abgesenktes Wahlalter als bedeutend an, sondern ebenso die aktive Teilnahme junger Menschen am Weltgeschehen: „Ich fände es gut, wenn sich mehr junge Leute aktiv einbringen.“, appelliert Naber.

Ob gleich als Juniorbotschafter oder nur bei der Teilnahme an der kommenden Europawahl 2024: Die Landtagspräsidentin findet, dass jeder einen Beitrag leisten kann und sollte – egal ob dieser groß oder klein ist.

„Viele Entwicklungen in der Welt zeigen uns, wie schrecklich es ist, in einem Land zu leben, in dem es keine demokratischen Grundprinzipien gibt.“, erläuterte Naber. „Deshalb finde ich es toll, wenn junge Menschen sich mehr oder weniger, aber immerhin für die Demokratie einsetzen.“

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Wir sind stolz, dass Sophie und Keno das Interview mit Hanna Naber so souverän geführt haben!​